Rekordfahrten

Mehr Power

Die Geschichte eines tollkühnen Helden ohne Happy End und eines getrimmten Quicklymotors.

Der Baumm´sche Liegestuhl

„Alles hat seine Zeit“. Ich zitiere meine 1927 geborene und 2021 verstorbene Großmutter. Eines hatte Sie auf jeden Fall: Lebenserfahrung. Und wie alles gab es eine Zeit, als Rekordfahrten große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfuhren. Für die Firmen sehr kostspielig, brachte es bei einem Erfolg mehr Prestige. Denn was Rekorde bricht, kann nicht schlecht sein. Stand damals Qualität noch sehr im Fokus und man warb mit diese Eigenschaft. Heute setzt man eine gewisse Qualität voraus bzw. das Design spielt mehr eine Rolle und man trennt sich schneller von einem Produkt, als die Haltbarkeit es zu lässt.

Nun aber zu dem eigentlichen Thema: Die Rekorde von NSU. Wir schreiben das Jahr 1951. Eine NSU-Mannschaft liegt in den Startlöchern, mit einer vollverkleideten NSU Rennmaschine, um mit dem Fahrer Wilhelm Herz eine Rekordfahrt vorzubereiten. Herr Maschlanka von der Firma für Fahrzeugversuchsaufbauten Hans Maschlanka / Gustav-Adolf Baumm hört davon und zeichnet ein paar Entwürfe. Diese wurden dann zu Firma NSU geschickt. Herr Dr. Froede von der NSU-Forschungsabteilung besuchte daraufhin das Unternehmen am 24.10.1951, welches in der Bachmaierstr. 14 in München beheimatet war. Es wurde vereinbart, dass NSU für den Versuchsaufbau ein Getriebe eines NSU-Motorrades des Typs 251 OSL, als auch 2 Vergaser mit 20 – 24er Durchlass zur Verfügung stellen würde. Für das Fahrzeug soll vorerst ein Riedel-Motor verwendet werden. Ein Prototyp wurde dann NSU vorgestellt. Die Form wurde zwar von NSU für die Rekordfahrten als ideal gehalten, allerdings wurde eine Fahrtauglichkeit in den Kurven von Dr. Froede angezweifelt. Aber Herr Baumm konnte diese bei einer Testfahrt auf einer abschüssigen Straße aus dem Weg räumen. Nun konnte es weitergehen. NSU unterstützte finanziell und materiell das Unternehmen. Hierüber wurde am 02.03.1953 eine schriftliche Vereinbarung zwischen NSU und Hans Maschlanka/ Gustav-Adolf Fahrzeug-Versuchsaufbauten getroffen, dass NSU die Motoren stellt und sich im Bedarfsfalle für die Beschaffung von Spezialmaterial, -teilen, sowie Felgen, Reifen und Bremsen einschaltet. Es sollten zwei Fahrzeuge entwickelt werden. Das erste für 50 ccm und das weitere für 100 bzw. 125 ccm. Im Oktober 1953 sollten bereits die Fahrzeuge zur Rekordfahrt auf der Autobahnstrecke München-Ingolstadt fertig sein. Die Vehikel sollten dann jeweils auf einem fliegenden Kilometer und Meile sowie fünf Kilometer und Meile die bisherigen Rekorde brechen. Sollte dies der Fall sein, werden dann entsprechende Zahlungen von NSU an Baumm/Maschlanka geleistet. Die Fahrzeuge gingen daraufhin in das Eigentum von Firma NSU über. Herr Baumm wurde für die Rekordfahrten verpflichtet. Im Sommer 1954 kam es allerdings zum Bruch zwischen Gustav-Adolf Baum und Herr Hans Maschlanka, wodurch lediglich Herr Baumm die Arbeit mit NSU fortführte.

NSU steuerte die ersten Quickly-Motoren bei, so dass nach einem Jahr die Rennmaschine fertig war. Allerdings noch sehr provisorisch. Die Außenhaut war noch aus künstlichem Leder. Am 24.08.1952 wurde auf der nicht abgesperrten Autobahn München – Freimann die erste Probefahrt durchgeführt. 

Nun ging es weiter: Es wurden zwei „Liegestühle“ gebaut. Die Baumm I sowie II (98 ccm Rennfox-Motor). Die erste Variante erhielt einen Quickly-Motor. Wobei der Motor im Prinzip nur aus dem vorderen Teil bestand d.h. das Kurbelwellengehäuse mit Polrad und Innenleben. Per Kette wurde der Vorbau mit einer spezielle-Trockenkupplung mit 4-Ganggetriebe verbunden. Der Motor leistete 3,4 PS bei 7000 U/min. Theoretische Höchstgeschwindigkeit 136 km/h. Am 27.04.1954 konnten dann auf dem v.g. Autobahnabschnitt mit den beiden Liegestühlen 4 Weltrekorde eingefahren werden. Die Baum I mit dem Quickly-Motor erreichte bei dem fliegendenKilometer 128,3 km/h und bei der fliegenden Meile 127,8 km/h und über die fliegenden 5 Kilometer 126,1 km/h. Ein Jahr später am 10.05.1955 wurde die Baum I mit einem anderen getunten Quickly-Motor ausgestattet. Nun erreichte der „Liegestuhl“ wahnsinnige 151,0 km/h. Der Motor hatte 4,7 PS bei 7800 U/min bzw. kurzzeitig 9000 U/min. Wieder Weltrekord!!! An diesem Tag regnete es nur Rekorde. Leider gibt es kein Happy End. Zwei Wochen später am 23.05.1955 am Nürburgring kam es bei einer Probefahrt zu dem Unglück. Baumm verlor die Kontrolle über den „Liegestuhl“. Das Fahrzeug kam in´s Schlingern und kam zwischen Bäumen zum Stehen. Bis heute ist der Grund für den Unfall ungeklärt. Baumm wurde nur 35 Jahre alt. Die Rekordfahrten gingen weiter. Es gab z.B. am 09.08.1956 noch eine Rekordfahrt auf den Bonneville Salt Flats im Bundesstaat Utah/USA. Dort erzielte H.P. Müller einen Weltrekord mit einem speziell hierfür entwickelten 50 ccm Zweitaktmotor. Dieser hatte 10 PS bei 10500 U/min.